Berlin. 27. Februar 2017. (mediap). Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki schrieb für „Tagesspiegel Causa“ den folgenden Gastbeitrag:
Vor einigen Tagen machten verschiedene Vereine und Verbände im karnevalisierten Köln mit einer Plakataktion auf ein vorher eher wenig bekanntes Problem aufmerksam. Unter dem Motto: „Ich bin kein Kostüm“ erklärten die Initiatoren dieser Kampagne, einige Kostüme transportierten rassistische und stereotype Bilder. So seien zum Beispiel die Verkleidungen als Indianer, Geishas oder „Trans_Frauen“ im Karneval geeignet, diskriminierende, stigmatisierende oder überromantisierende Bilder an nachfolgende Generationen weiterzugeben.
Politisch in größtem Maße korrekt hieß es dann in einer Verlautbarung wörtlich: „Europäer_innen benutz(t)en diese Bilder, um Ausbeutung und Unterdrückung von bestimmten Menschengruppen zu rechtfertigen.“ Und: „Die Kostüme stärken Stereotype, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen, jedes Jahr aufs Neue.“ Ich bin mir sicher, den wenigsten fröhlich feiernden Karnevals-Indianern ist klar, für wie rassistisch sie in bestimmten Kreisen gehalten werden.
Kaum strittig sollte sein, dass diese Art der politisch korrekten Korrektur so überzogen ist, dass sich die selbsternannten politischen Korrekteure der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Und wer sich in harmloser Feierlaune dem Vorwurf der Menschenfeindlichkeit erwehren muss, der wird wenig Verständnis entwickeln für ein möglicherweise sogar berechtigtes Anliegen.
Denn dass es grundsätzlich ein nachvollziehbares und zutiefst humanes Bestreben ist, beherzt gegen Ausgrenzung vorzugehen, ist sicherlich nicht weiter erklärungsbedürftig. Wenn aber der Kampf gegen die Ausgrenzung selbst zur Stigmatisierung und Ausgrenzung führt, dann haben wir es mit einer politischen Korrektheit zu tun, die Unfreiheit zum Ergebnis hat. Insbesondere die Parteien Die Grünen oder Die Linke haben sich in der Vergangenheit mit der moralischen Stigmatisierung anderer einen zweifelhaften Ruf erarbeitet und hieraus bisweilen ein politisches Geschäftsmodell gemacht.
Diese Art der moralischen Bevormundung funktioniert mit Unterstellungen. Wer zum Beispiel nicht dafür ist, statt dem Wort „Studenten“ (das im Duden steht) das angeblich geschlechterneutralere „Studierende“ oder gar „Student_innen“ (das nicht im Duden steht) zu benutzen, steht bisweilen latent im Verdacht, ein unverbesserlicher Macho, gegen Gleichberechtigung – und in letzter Konsequenz gar: gegen Frauen zu sein. Die politische Korrektheit wird dann zur moralischen Waffe, wenn sie sich als ausschließliche Wahrheit versteht, die nur davon lebt, dass das Andere als indiskutabel falsch definiert wird. Dann kann es sogar egal sein, dass man sich sprachlich exakt an den Duden hält. Politische sticht terminologische Korrektheit.
Es geht hierbei um eine Trennung in Gut und Böse, Schwarz und Weiß – die lautet: Wer unseren sprachlichen oder Symbol-Code nicht übernimmt, gehört nicht zu uns und darf deshalb vollkommen zu Recht ausgegrenzt werden – oftmals mit wenig Rücksicht auf Verluste. Wer den hohen moralischen Standard nicht erfüllt, ist automatisch ein schlechterer Mensch.
Selbst wenn es das Ziel der politischen Korrektheit sein sollte, im Kampf gegen die Ausgrenzung von Minderheiten für mehr Pluralität zu sorgen, wirkt sie genau ins Gegenteil: Konformismus und Verkrampftheit wären die Ergebnisse, würden wir uns der politischen Korrektheit unterwerfen.
Dankenswerterweise ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut in unserer freiheitlichen Demokratie. Artikel 5 des Grundgesetzes spannt einen weiten Schirm, der zum Teil auch Beleidigungen gestattet. Und wir können froh sein, dass dies hier so ist.
Autoritäre Herrscher handeln auf ganz ähnliche Weise wie die Vertreter der Political Correctness. Und auch wenn US-Präsident Donald Trump öffentlich erklärt, Medien seien „Feinde des Volkes“, dann übernimmt er die wesentlichen Elemente dieser Vorgehensweise: die Ausgrenzung der „anderen“, bis zum Exzess getriebene Selbstgerechtigkeit sowie der ausdrückliche und fordernde Wunsch nach Gleichklang mit der eigenen Auffassung. Andere Stimmen werden nicht mehr als gleichberechtigt akzeptiert, sondern grundsätzlich als falsch diskreditiert.
Wenn wir unsere Pluralität bewahren wollen, müssen wir im Rahmen der Meinungsfreiheit auch Meinungen und Verhaltensweisen zulassen, die nur schwer tolerabel sind. Auch wenn wir Rechtspopulisten aus verständlichen Gründen nicht sonderlich mögen, ist allein die Tatsache, dass es sie hier geben darf und dass sie ihren geistigen Unrat von sich geben können, ein Beweis dafür, dass unsere freiheitliche Demokratie, unsere Debattenkultur und unser Rechtsstaat funktionieren.
Unsere freie Gesellschaft profitiert davon, wenn wir dem Diskutanten auf der anderen Seite zunächst einmal unterstellen, dass er auch an einer Lösung eines Problems ein Interesse hat – aber logischerweise vor einem anderen Erfahrungshorizont argumentiert. Politische Korrektheit zerstört diesen Grundgedanken. Sie kultiviert Vorurteile.
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