Roboterunterstützte Wirbelsäulen-OPs haben sich bestens bewährt
Bereits mehr als 100 Patienten operiert – sehr geringe Komplikationsrate
Mainz, 21. Mai 2013. (rdr /red). Seit Oktober 2011 haben Spezialisten der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz mehr als 100 Patienten an der Wirbelsäule roboterunterstützt operiert: Dabei können sie auf eine hochmoderne Version eines System zurückgreifen, das in der klinischen Routine bei Wirbelsäulen OPs deutschlandweit bisher nur in Mainz eingesetzt wird. Die aktuellen Ergebnisse hinsichtlich notwendiger Zweiteingriffe und Komplikationen sind sehr viel versprechend: 99 Prozent der zur Stabilisierung in die Wirbelsäule eingesetzten Schrauben lagen so wie geplant und erwartet. Neurologische Ausfälle oder Verletzungen von Nerven oder Rückenmark sind bei keinem Patienten aufgetreten.
Gemäß aktuellen Studien suchen mehr als die Hälfte der Deutschen mindestens einmal in ihrem Leben wegen Rückenschmerzen einen Arzt auf. Glücklicherweise ist in den meisten Fällen keine Operation notwendig. Bei Instabilitäten der Wirbelsäule, die etwa durch Unfälle, Verschleiß, Osteoporose, angeborene Fehlbildungen oder Tumore verursacht werden, kann eine Operation hingegen notwendig sein. Ziel des Eingriffes ist es immer, die Wirbelsäule durch die Versteifung von zwei oder mehr Wirbelkörpern zu stabilisieren. Dazu werden diese Wirbel durch Schrauben miteinander verbunden.
Das Foto zeigt die Fachärzte vor einer roboterassistierten Wirbelsäulenstabilisierung mit (v.l.n.r.): Univ. Prof. Dr. Alf Giese und PD Dr. Sven Kantelhardt. Foto: Universitätsmedizin Mainz, Peter Pulkowski
Bei solchen Eingriffen kommt in Mainz seit Oktober 2011 eine roboterunterstützte Technologie zum Einsatz. „Diese ermöglicht eine sehr hohe Präzision bei der Platzierung der Schrauben und macht so die Wirbelsäulenchirurgie noch sicherer“, unterstreicht Univ.-Prof. Dr. Alf Giese, Direktor der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik. „Die hohe Präzision der Roboterführung erlaubt minimal-invasive Eingriffe ohne offene chirurgische Darstellung der Wirbelsäulenstruktur mit derselben Genauigkeit durchzuführen wie es traditionelle Verfahren erlaubten. Der damit routinemäßig bei fast allen Patienten anwendbare Zugang über kleine Schnitte ist für die Patienten schonender als ein offener Eingriff mit vergleichsweise großen chirurgischen Freilegungen. Sie benötigen weniger Schmerzmittel, zeigen eine bessere Wundheilung und genesen schneller. Insgesamt profitieren die Patienten somit von den klinischen Vorteilen des minimal-invasiven Eingriffs kombiniert mit der hohen Präzision, die die roboterunterstützte Technologie bietet.“
Eine Technologie, die sich seitdem bestens bewährt hat, wie die Analyse der bisherigen Eingriffe zeigt: „Wir haben im Zeitraum Oktober 2011 bis Ende Januar 2013 insgesamt 118 Patienten mithilfe der roboterunterstützten Technik operiert“, erläutert PD Dr. Sven Kantelhardt, Leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik. „Dabei wurden über 590 Schrauben minimal-invasiv durch einzelne kleine Hautschnitte in der lumbalen und unteren thorakalen Wirbelsäule implantiert. 99 Prozent der Schrauben lagen so wie geplant und erwartet.“ Eine Revision – das bedeutet eine Neuplatzierung in einem zweiten Eingriff – musste lediglich bei 2 Schrauben (0,34%) bzw. 1 von 118 Patienten (0,85%) durchgeführt werden. Neurologische Ausfälle bzw. Verletzungen von Nerven oder Rückenmark sind bei keinem der Patienten aufgetreten. Zum Vergleich: Bei minimal-invasiven Eingriffen an der Wirbelsäule ohne Verwendung eines Navigationsverfahrens liegt die Rate von nicht optimal platzierten Schrauben meist zwischen 5 und 15 Prozent. „Manche Studien beziffern noch deutlich höhere Fehllage-Raten, doch dies entspricht glücklicherweise nicht der alltäglichen klinischen Erfahrung“, erläutert Sven Kantelhardt. „Auch bei diesen nicht-navigierten Eingriffen ist es natürlich nicht notwendig jede nicht optimal platzierte Schraube zu revidieren wenn die Fehllage ohne Beschwerden oder Beeinträchtigung der Stabilität bleibt. Dennoch führt die in Mainz eingesetzte Technologie im Vergleich zum konventionellen Vorgehen zweifelsfrei zu einer Verbesserung der Präzision und des Behandlungsergebnisses.“
„Inzwischen arbeiten wir in enger Kooperation mit der Herstellerfirma daran, diese erfreulich geringe Zahl von Fehllagen mit einer neuartigen Software bereits während der Operation unmittelbar zu erkennen und zu korrigieren“, so Sven Kantelhardt weiter. „So könnten in Zukunft auch diese glücklicherweise schon jetzt sehr seltenen Revisionen überflüssig werden.“ Ein weiterer positiver Effekt des Roboter-basierten Systems: Da mittels einer Röntgenaufnahme lediglich noch die korrekte Position des Roboters überprüft – und nicht mehr der Weg dorthin „überwacht“ – werden muss, kann auch die Strahlenbelastung für Patienten und Personal während der Operation signifikant reduziert werden. So wurde die durchschnittliche Röntgenzeit während einer Operation um über 50 Prozent pro implantierter Schraube gesenkt.
Hintergrundinformation:
Vor dem eigentlichen Eingriff fertigen die Operateure Computertomographie-Aufnahmen des Patienten an. Diese CT-Bilder werden in das System eingespeist, um dann mithilfe einer speziellen Planungssoftware daraus je nach Anatomie und Diagnose des Patienten einen optimalen Operationsplan zu erstellen. Im Operationssaal wird der eigentliche Roboter – ein kleines Gerät etwa von der Form einer Getränkedose – über eine Klemme am Dornfortsatz eines Wirbelkörpers des Patienten befestigt. Jetzt fertigen die Ärzte zwei Röntgenbilder an. Diese werden über die Planungssoftware mit den CT-Aufnahmen abgeglichen, bis eine Übereinstimmung erreicht ist. Anschließend „sendet“ der Chirurg den Roboter nacheinander exakt an die zuvor geplanten Positionen. Über eine Führungshülse, die die Richtung der Schraube vorgibt, kann der Chirurg jetzt Schrauben oder Implantate exakt gemäß dem vordefinierten Plan platzieren. Alle erforderlichen Planungen, Schnitte und Eingriffe führt der Chirurg eigenhändig durch. Der Roboter führt ihn lediglich exakt an die vorher berechnete Stelle. Eine chirurgische Freilegung der Eintrittspunkte für die Implantate ist damit nicht mehr erforderlich.
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